Markthalle IX als Ort der Nahversorgung im Kiez sichern
zur BVV am 15.10.2025
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Bezirksamt wird aufgefordert, bauleitplanerische Schritte einzuleiten, um die Markthalle IX in ihrer Funktion als Ort zur Nahversorgung der Bewohner*innen im Wohngebiet mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfes dauerhaft zu sichern. Geprüft werden soll die Aufstellung eines Bebauungsplanes für die Flurstücke 149 (Eisenbahnstr. 42/43 und Pücklerstr. 34) und 80 (Eisenbahnstr. 40/41 und Wrangelstr. 23), um damit die mit den Grundstücken verbundenen öffentlichen und privaten Interessen in Abwägung und zum Ausgleich bringen zu können. Richtschnur für das Verwaltungshandeln soll eine städtebaulich tragfähige und programmatisch langfristige Lösung sein, die sowohl den denkmalgeschützten Baukörper der Markthalle IX respektiert als auch der heterogenen Zusammensetzung der Nachbarschaft und einem damit einhergehenden Bedürfnis nach kostengünstigen und niedrigschwellig zugänglichen Angeboten in der Markthalle IX Rechnung trägt.
Über den Verlauf der Prüfung und den Stand des weiteren Verfahrens hat das Bezirksamt die BVV spätestens 4 Monate nach Beschluss dieses Antrags schriftlich zu unterrichten und einen Aufstellungsbeschluss vorzulegen.
Begründung:
Im Rahmen eines preisgebundenen Bieterverfahrens wurde die landeseigene Markthalle IX in der Eisenbahnstraße 2011 zu einem Festpreis von 1,15 Mio. Euro privatisiert. Im Gegenzug verpflichtete sich die neue Eigentümergesellschaft zur Umsetzung eines Nutzungskonzeptes mit 15-jähriger Bindungsdauer. Ihre Ankündigung, die Halle ein „soziales Zentrum“ werden zu lassen (Berliner Morgenpost vom 30.03.2011), war auf positive Resonanz in großen Teilen der Anwohnerschaft gestoßen; ihr vorgelegtes Konzept hatte sich im Auswahlverfahren insbesondere auf Grund seiner „Kiezorientierung“ durchsetzen können (siehe dazu: Drucksache 18/18352 vom 17.04.2019, AGH Berlin). Es sah in vier Phasen eine Entwicklung der Markthalle zu einem kleinteiligen, dauerhaften Lebensmittelmarkt mit 1.550 m2 vermietbarer Fläche sowie die Unterbringung eines Discounters auf einer Fläche von 464 m2 BGF vor. Im Herbst 2016 war diese Entwicklung mit Eintreten der Phase 4 vorerst abgeschlossen.
Im Frühjahr 2027 wird die kaufvertraglich fixierte Nutzungsbindung auslaufen. Der Marktpreis der Markthalle IX beträgt heute ein Vielfaches des ehemaligen Kaufpreises. Das Ende der Nutzungsbindung ermöglicht zudem eine Veränderung der Angebotsstruktur, mit der sich eine höhere Rendite erzielen lässt. Prozesse der zunehmenden Eventisierung und Kommerzialisierung der Halle, deren Strahlkraft weit über die Grenzen des Bezirks hinausgeht, legen den Schluss nahe, dass wesentliche Voraussetzungen für eine noch höherpreisige Verwertung heute schon gegeben sind. Die gleichzeitigen Konflikte um die Ausrichtung der Markthalle IX, die sich unter anderem 2018/19 in den von Anwohnenden getragenen Protesten gegen den Auszug eines Lebensmitteldiscounters äußerten, verdeutlichen jedoch, dass die Dringlichkeit eines sozial durchlässigen Nahversorgungskonzeptes für die Markthalle IX über die aktuelle Nutzungsbindung hinaus Bestand hat. Mehr noch: Das Versprechen eines „sozialen Zentrum(s)“ lässt sich nur einlösen, wenn die Bedürfnisse von Menschen mit geringerer Kaufkraft mitadressiert und ihre Teilhabe nachhaltig ermöglicht wird – gerade in der Nördlichen Luisenstadt, die von hoher sozialräumlicher Ungleichheit und zunehmenden Verdrängungsdynamiken geprägt ist.
Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, einen Aufstellungsbeschluss für ein Bebauungsplanverfahren einzuleiten, der die Sicherung der derzeitigen Bebauung des Flurstücks 149 und ihres aktuellen Nutzungszwecks als Markthalle für kleinteiliges Lebensmittelgewerbe und Waren des alltäglichen Bedarfs im Wohngebiet zum Ziel hat. Darüber hinaus kann ein solches Verfahren der sachgerechten und geordneten Entwicklung eines städtebaulichen und funktionalen Zusammenhanges zwischen dem Markthallengrundstück und dem Nachbargrundstück hin zur Wrangelstraße (Flurstück 80) dienen. Dieses Grundstück wurde laut Angaben eines Mitgesellschafters der Markthalle 9 GmbH erworben, um logistischen Herausforderungen, die die intensive Nutzung der Markthalle mit sich bringt, begegnen zu können (siehe: https://www.diefarbedesgeldes.de/artikel/2021/wir-sind-eine-markthalle-des-21.-jahrhunderts). Nach aktuellem Kenntnisstand der Antragsstellenden werden für den Betrieb der Markthalle IX zusätzliche Verwaltungsräume benötigt. Außerdem besteht laut Aussagen der Eigentümerin der Wunsch, Wohnraum für Auszubildende zur Verfügung stellen zu können.
