Einwendungen gegen die Führung der Geschäfte des Bezirksamtes bezüglich der Wahlkreiseinteilung 2026
zur BVV am 08.09.2025
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Bezüglich der Einteilung der Wahlkreise zu den Wahlen 2026 erhebt die BVV gemäß § 17 Absatz 1 Bezirksverwaltungsgesetz Einwendungen gegen die Führung der Geschäfte des Bezirksamtes.
Begründung:
Dem Bezirksamt wurde die vom Wahlamt erarbeitete zahlenoptimierte Variante 1 nicht als eine Entscheidungsoption vorgelegt, die von allen Vorschlägen auf der grundsätzlichen sozialräumlichen Gebietsorientierung aufbauend die gleichmäßigste Verteilung von deutschen Einwohner:innen in den Wahlkreisen erreicht. Stattdessen wurde neben der gebietsoptimierten Variante 2 des Wahlamtes ein von der Partei Bündnis90/Die Grünen dem Bezirksamt vorgelegte Wahlkreiseinteilung zur Entscheidung vorgelegt. In der Entscheidungsvorlage lagen dem Bezirksamt bei der Abstimmung weder eine textliche Beschreibung der Vorschläge noch die konkreten Zahlen für die jeweiligen Wahlkreiseinteilungen vor.
BVV 08.09.2025
Wortprotokoll
Leitung: Herr Werner Heck
Herr Heck: Frau Jösting.
Frau Jösting: Herr Vorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, liebe Zuhörer und Zuschauer und der Rest der Welt. Bei einem sensiblen Thema wie der Wahlkreiseinteilung auch in Erfahrungen zurückliegender Wahlen, sollte man meinen, dass das Bezirksamt mit der nötigen Sorgfalt einen solchen Prozess gestaltet. Den Eindruck haben wir eindeutig nicht. Statt einer gleichwertigen Abwägung verschiedener Vorschläge des Wahlamtes wurde dem Bezirksamt offensichtlich ein Vorschlag des Wahlamtes und ein Vorschlag der Partei Bündnis 90/Die Grünen zur Abstimmung und Entscheidung vorgelegt.
Damit hatte eine einzelne Partei einen überproportional großen Einfluss auf die Entscheidungsgrundlage des Bezirksamtes. Praktischerweise ist das die Partei, die auch im Bezirksamt eine Mehrheit herstellen kann mit den eigenen Stadträten und der Bürgermeisterin. Es ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar, dass parteipolitische Interessen so stark in ein Verfahren eingreifen, noch dazu in dieses Verfahren eingreifen, denn gerade dieses Verfahren, wo es darum geht, eben Wahlen, offene demokratische legitime Grundlage zu stellen, die sollten neutral, transparent und faktenbasiert geführt werden und nicht nach Einzelinteressen der stärksten Partei.
Uns liegt eine E-Mail vor, die ich hier nicht vorlesen werde… ich werde jetzt auch nicht die Person benennen, weil der arme Mensch vielleicht auch nur im Auftrag von irgendwem gehandelt hat, aber das sozusagen dann Mails auch noch direkt ins Bezirksamt verschickt werden, was zu tun sei, um jetzt hier den Beschluss herbeizuführen, ist dann schon… hat eine besondere Note.
Zweitens… die Bezirksamtsmitglieder und im Ergebnis auch die BVV haben jetzt eine Vorlage, die sie beschließen sollen, die frei von konkreten Zahlen ist. Die Vorlage enthält - anders als die Vorlagen in anderen Bezirken - keinerlei sozusagen Ausführungen zu den Wahlberechtigten in den jeweiligen Wahlkreisen. Die Vorlage enthält allgemeine Ausführungen und verlangt sowohl vom Bezirksamt als nun auch von der BVV, darauf zu vertrauen, dass die Aussagen, dass die gemalte Karte zur Verteilung der Wählerschaft stimmt… eben stimmen werde, ohne dass man es… textlich darlegt. Die textliche Vorlage ist genauso dünn, dass man jeden Stadtplan hinten dranhängen kann und offensichtlich ist genau das dann auch passiert im Bezirksamt.
Das Bezirksverwaltungsgesetzt gibt der BVV ausdrücklich die Aufgabe, die Führung der Geschäfte des Bezirksamts zu kontrollieren. Genau das wollen wir hier tun. Wir sehen sowohl im Zustandekommen der Entscheidung als auch in der konkreten textlichen Vorlage, die jetzt zur Abstimmung vorgelegt wird, einen Mangel an Ausgewogenheit und Transparenz. Es entspricht nicht unserer Erwartung an die Führung der Geschäfte des Bezirksamtes, dass eine Partei ihren Vorschlag dann auch noch durch Einfluss auf das Bezirksamt privilegiert einbringen kann. Das führt zu Problemen, sowohl was das Vertrauen der BVV gegenüber dem Bezirksamt anbetrifft, als auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, hier insbesondere der Wählerinnen und Wählern, in den Wahlprozess.
Wir wollen mit der Einwendung nach § 17 deswegen deutlich machen, dass die Wahlkreiseinteilung unserer Einschätzung nach auf vollständigen, neutralen und nachvollziehbaren Grundlagen zu erfolgen hat und das dies hier nicht passiert ist und deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Heck: Vielen Dank, Frau Jösting. Herr Alter bitte.
Herr Alter: Sehr geehrter Vorsteher, lieber Werner, sehr geehrtes Bezirksamt, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, liebe Clara. Katja, Du hast es gerade schon richtig und… sehr sachlich dargelegt, mit welchen Problemen wir es hier zu tun haben. Ich würde es eigentlich noch mal ein bisschen weiterfassen.
Wir beraten ja heute über diesen Vorschlag von Dir, Clara, oder besser gesagt von den Grünen. Das ist absolut richtig, es muss angepasst werden. Die Einwohnerzahl hat sich verändert, da gibt es hier glaube ich gar keinen Dissens, und es ist auch vollkommen richtig, dass man dann, wenn man die Wahlkreise von 6 auf 5 neu zuschneidet, schauen muss, dass überall möglichst gleich viele Wahlberechtigte sind. Das gebietet die Fairness in einer Demokratie und ich glaube auch hier… gibt es keinen Dissens. Und das ist eine Aufgabe, der jeder handelsübliche Computer gewachsen ist und auch jeder andere… und es gab ja auch zwei Vorschläge, die sehr vernünftig waren.
Und dann kommst Du als Bürgermeisterin und legst dem Bezirksamt plötzlich einen neuen Plan, von dem Du offensichtlich Hand angelegt hast, und ganz interessant ist, gerade im Wahlkreis 4, im Westen von Friedrichshain, der an Mitte grenzt, wo es bei der letzten Wiederholungswahl vor gerade mal 2 Jahren eine sehr knappe Entscheidung gab. Da lagen Die Linken nämlich knapp vor den Grünen und dann knapp vor der CDU wenige Prozentpunkte auseinander. Gerade in dem Wahlkreis, der bisher eigentlich immer in Friedrichshain war, kommst Du plötzlich und machst den Vorschlag, vielleicht nehmen wir noch ein paar nette Altbaugegenden im Norden von Kreuzberg an der Spree dazu, wo das grüne Wählerklientel zu Hause ist.
Der Plan, klar, den Du uns hier vorgelegt hast, ist nicht nur nicht ausgewogen, er ist komplett unausgewogen, durchsichtig und ganz ehrlich… mein Intellekt beleidigend billig. Das ist ein billiger Taschenspielertrick, um die erodierende Machtbasis der Grünen hier in der Hauptstadt über die Wahlen 2026 hinaus zu sichern. Es ist kein Geheimnis, dass Du und Deine Partei hier mit den Grünen ein gutes Jahr vor der Wahl ganz ordentlich unter Druck stehen, weil ihr immer mehr… immer weniger Menschen erreicht. Das gilt nicht nur für den Bund, das gilt hier für Berlin. Jetzt könntet ihr hergehen und mal Politik machen für die Breite Mitte der Bevölkerung, anstatt weiter Klientelpolitik für Besserverdienende zu machen und sich zum Büttel der Fahrradfahrerlobby zu machen.
Als Ergebnis dieser einseitigen Politik bleibt ein seit vielen Jahren grün regierter Bezirk, in dem die zentralkommunal politischen Fragen Sicherheit, Sauberkeit und soziale Gerechtigkeit, aber insbesondere die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, von Ihnen vollkommen vernachlässigt und ungelöst bleiben. Während Sie als Bürgermeisterin gemeinsam mit Ihrer Partei ein ideologische Projekt nach dem nächsten durchdrücken… neue Reihe Poller für mehrere 10.000 EUR, ein Fahrradtresen am Görlitzer Bahnhof für 5.000 EUR, der es sogar zur Extrawahl geschafft hat, oder ein genialer… eine geniale Idee mit dem Lärmomat amTouristenschwerpunkt Admiralsbrücke für gut 10.000 EUR, anstatt dort einfach ordentlich Ordnungsamtkontrollen durchzuführen.
Und jetzt… merkst Du, dass die Mitmenschen hier bei uns in Friedrichshain und Kreuzberg langsam davon die Nase voll haben, dass es die genauso abstößt wie mich persönlich und meine Partei und dann greifst Du, greift ihr hier als Grüne zu Methoden, die… ich und wir bislang eigentlich mit anderen Ländern verbinden. Der Vorschlag erinnert fatal an das, was wir aus den Vereinigten Staaten kennen… vom dortigen Präsidenten, die einseitige interessengeleitete Manipulation vonWahlkreisen, um die eigene Macht zu sichern. Gerrymandering nennt man das dort, und genau das ist es, was Sie hier vorlegen. Aber ich sage es Ihnen, Frau Bürgermeisterin, Berlin ist nicht Florida, Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht irgendein County in Texas, und wir als CDU-Fraktion sind überhaupt nicht bereit, derartige Methoden stillschweigend hinzunehmen. Und ich sage es Ihnen auch noch mal ganz deutlich: Unsere Demokratie hier lebt nicht von billigen Taschenspielertricks, sie lebt davon, dass Mehrheiten nicht durch technische Winkelzüge gesichert werden, sondern dass man Menschen mit politischen Ideen überzeugt… mit guter Politik. Und genau das… gute Politik… haben Sie als Bürgermeisterin mit Ihrer Partei Bündnis 90/Die Grünen leider aktuell nicht im Angebot.
Ganz anders dagegen wir als Christlich Demokratische Union, die wir unser Land als die große demokratische Volkspartei der Mitte geprägt haben, wie keine Zweite. Wir haben Deutschland nach 1945 in eine stabile Demokratie geführt, wir haben das Fundament der Europäischen Union mitgelegt und wir haben Berlin mit seinen 12 Bezirken nach dem Mauerfall und im Ende von mehr als 40 Jahren Totalismus unter der alleinigen Herrschaft der SED, dortige Partei Die Linke –übrigens Grüße gehen raus an Heidi Reichinneck an dieser Stelle – und allem, wofür der Sozialismus steht, nämlich Menschenverachtung, Diktatur und Terror,haben wir nach 40 Jahren Berlin zur wiedervereinigten Hauptstadt unseres deutschen Vaterlandes gemacht… und daher werde ich Ihnen noch mal klar und deutlich sagen, mit uns als CDU, Frau Bürgermeisterin, liebe Clara, ist es nicht zu machen, dass Sie die Spielregeln der Demokratie zu Ihrem eigenen Vorteil beugen.
Wir als CDU-Fraktion stehen dafür, dass Demokratie fair bleibt, dass Wahlen transparent und nachvollziehbar organisiert werden und das Wahlkreise nicht zum Werkzeug einer einzelnen Partei verkommen. Friedrichshain und Kreuzberg gehört allen, die hier leben, nicht nur dem grünen oder Ihrem weißen gut verdienenden Wählerklientel, und deshalb lehnen wir den Plan, den Sie vorgelegt haben zur Anpassung der Wahlkreise für die Abgeordnetenwahlauswahl 2026, mit aller Entschiedenheit hat, werden dem Vorschlag Der Linken, dem Antrag, der sehr richtig und vernünftig ist, als Fraktion zustimmen. Und wir werden sie in dieser Frage stellen und wir werden dafür sorgen, dass die Demokratie in Friedrichshain-Kreuzberg nicht nach dem grünen Drehbuch umgeschrieben wird. HörenSie auf, mit diesen billigen Taschenspielertricks, machen Sie vernünftige Politik und wenn Sie das nicht können und wollen, dann lassen Sie es bleiben… aber bitte ganz. Vielen Dank.
Herr Heck: Vielen Dank, Herr Alter. Herr Cörtlen bitte.
Herr Cörtlen: Liebe Zuhörerende und Zuhörer, wer mich kennt, weiß, ich bin kein Freund vieler Worte und Grünen-Bashing liegt mir fern. Wir müssen uns nicht beschweren, wenn aus solchen Aktionen hinterher nur eine Partei lacht und das ist die Naszipartei hier drüben, und das ist es, was ich Ihnen übelnehme, der Rest ist mir scheißegal. Ich kann gut verstehen, dass Sie… ohne Wähler Wahlen gewinnen wollen, das ist überhaupt kein Ding. Aber hier lachen die Nazis, und das ist irgendwie… ein Punkt, an dem ich sagen möchte, Stopp… so nicht weiter.
Herr Heck: Vielen Dank, Herr Cörtlen. Herr Vollmert bitte.
Herr Vollmert: Sehr geehrter Herr Vorsteher, lieber Werner, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebes Bezirksamt, liebe Zuhörende, Zusehende im Stream. Ich glaube, die Zeit einer Generaldebatte der letzten 4-5 Jahre ist jetzt noch nicht gekommen. Deswegen würde ich mich gerne auf das heutige Thema, nämlich die Wahlkreiszuschnitte, konzentrieren wollen.
Wir tragen und teilen die Kritik, die Die Linken formuliert haben. Wir sehen ebenfalls die Fehler im Verfahren, als auch eine gewisse Anmaßung, dass man mit ungefähr 34,7 % der Wähler*innen im Rücken für den gesamten Bezirk sprechen möchte. Und das geht nicht. Man mag zwar im Bezirksamt die Mehrheit haben, aber Sie haben in den Gesprächen mit den Parteien deutlich gemacht, dass Sie gar keine Diskussionsgrundlage sehen, geschweige denn, dass Sie irgendeine Diskussionsgrundlage zu den Fraktionen SPD, Linke, CDU usw. auch nicht gesehen haben. In der Sache selbst, was will man mit einem Wahlkreiszuschnitt erreichen, ist eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Wählerinnen und Wähler eines Wahlbezirkes.
Das Bundeswahlgesetz schreibt im § 3 Abs. 1 vor: Der Wahlkreis soll ein zusammenhängendes Gebiet bilden. Hinter dieser trivial klingenden Vorschrift steckt folgender Gedanke. Unterschiedliche Wählerschichten sind geografisch oft sehr unterschiedlich verteilt und das trifft nicht nur auf das Land zu, auf Flächenländer, sondern auch auf den Stadtstaat Berlin, und es wurde eben schon der Wahlkreis 4 in Friedrichshain angesprochen, aber es betrifft auch den Wahlkreis 1 in Kreuzberg. Und wenn ich… systematisch die Wähler*innenschichten, die nicht den Grünen zugeneigt sind, Wahlkreisen zuordne, die mit einer grünen Dominanz zu bezeichnen sind, dann nimmt man diesen Menschen die Möglichkeit, sich aktiv durch die Wahl an Politik zu beteiligen… und das geht nicht.
Die Kritik ist gleich, aber hoffentlich sachlich und auf den Punkt, worum wir heute abstimmen werden. Sollte der Dringlichkeitsantrag nach § 17 Abs. 1 (BezVwG) erfolgreich sein, stehen wir in der Notwendigkeit, den nicht mehr mehrheitsfähigen Vorschlag des Bezirkes zu ändern und wir kündigen nach… bereits jetzt einen Dringlichkeitsantrag an nach der Abstimmung zu dem ersten Dringlichkeitsantrag, dass wir nämlich in der gleichen Begründung des Zeitverzuges und der Kenntnisnahme der BVV vorschlagen werden, den Verwaltungsvorschlag zur Einteilung der Wahlkreise in der Ausformung des ersten Vorschlages anzunehmen. Danke schön.
Herr Heck: Vielen Dank, Herr Vollmert. Ich schaue in die Runde. Ah ja, Herr Inci und… Herr Striebel.
Herr Inci: Sehr geehrter Herr Vorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf der Tribüne und aus dem Livestream. Ich hoffe sehr, Sie konnten die Sommerzeit gemeinsam mit Ihren Liebsten genießen und haben sich alle gut entspannt. Zudem wünsche ich auch allen Schülerinnen und Schülern einen guten und erfolgreichen Schulbeginn.
Heute Abend sprechen wir über eine Entscheidung, die die politische Landschaft unseres Bezirks in den kommenden Jahren massiv beeinflussen wird. Es geht um die Neuaufteilung der Wahlkreise für die Abgeordnetenhauswahl 2026 und die Entscheidungsprozesse des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg. Was bedeutet das?
Am 3. Juni 2025 hat der Berliner Senat festgelegt: Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen finden am 20. September 2026 statt. Berlinweit gibt es insgesamt 78 Wahlkreise, für unseren Bezirk haben wir genau 5. Das bedeutet gegenüber der letzten Wahl 2021 und 2023 einen Verlust eines Wahlkreises für unseren Bezirk.
Wir als CDU-Fraktion kritisieren jedoch den neuen Zuschnitt der Wahlkreise, den das grün-geführte Bezirksamt durchsetzen möchte. Die Grünen würden die Wahlkreise so verändern, dass dies ihnen bei der nächsten Wahl nicht nur zugutekäme, sondern ein SafeWin wäre. Ein Vorgehen, dass wir als demokratiefeindlich ansehen und ablehnen und dass man eher, wie mein Kollege bereits erwähnte, aus den USA kennt oder wie es vielleicht die Bezirksbürgermeisterin sagen würde, dear friends, make Grüne Friedrichshain-Kreuzberg great again!
Vor allem… vor allem nach den herben Verlusten des Direktmandats bei der letzten Bundestagswahl. Bei der letzten Bundestagswahl mussten die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg mit Katrin Schmidberger eine klare Niederlage hinnehmen. Zum ersten Mal seit 2002 verloren sie das Direktmandat in ihrer Hochburg, obwohl sie sich bereits im Abgeordnetenhaus bei ihren Kolleginnen und Kollegen bereits verabschiedet hatte. Nun scheinen sie bei der bevorstehenden Abgeordnetenhauswahl 2026 auf eine Nummer sicherer gehen zu wollen. Im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gab es eine Abstimmung zum Wahlkreiszuschnitt. Die Bezirksstadträte von SPD, Linke und CDU stimmten für den Entwurf des Fachamtes, die Grünen, zwei Stadträte plus Bürgermeisterin, legten ihren eigenen Entwurf vor. Die Abstimmung endete 3 zu 3, doch die Stimme der Bürgermeisterin gab den Ausschlag, da ihre Stimme doppelt zählt.
Wie bereits mein Kollege erwähnt hat, demnach wird der Wahlkreis 4 nun sehr ungewöhnlich geschnitten. Er umfasst künftig den westlichen Teil von Friedrichshain an der Grenze zu Pankow und reicht über die Spree nach Kreuzberg bis zum Kottbusser Tor. Lustigerweise ist es genau dieser Wahlkreis, wo die Grünen bei der letzten Wahl den an Die Linke verloren haben… das nicht nur einmal, sondern gleich zweimal mit der Wiederholungswahl. Mit dem neuen Zuschnitt könnten die Grünen wieder Spitzenreiter werden. So wurden die letzten Wahlkreise in Friedrichshain-Kreuzberg aufgeteilt.
Eines zeigt sich doch ganz deutlich, wie aktiv die Grünen ihre Machtposition in unserem Bezirk zu ihrem eigenen Vorteil nutzen möchten. Daher lehnen wir den Entwurf der Grünen deutlich ab und fordern alle Bezirksverordneten auf, diesem Antrag zuzustimmen und stattdessen bei ihrem eigenen Antrag lieben dem vom Rechtsamt zu nehmen, weil unser Ziel muss es sein, eine faire und eine bestmögliche Vorbereitung für die bevorstehende Wahl. Das sind wir unseren Wählerinnen und Wählern schuldig. Danke.
Herr Heck: Vielen Dank, Herr Inci. Und Herr Striebel bitte. Und sollten wir Ihre Meldungen übersehen haben, bitten wir um Entschuldigung.
Herr Striebel: Ja, dann… Herr Vorsteher, meine Damen und Herren. Es ist tatsächlich manchmal bemerkenswert, wie diese Vorwahlkampfdebatten ablaufen und welche gefühlten Koalitionen sich hier auf kommunaler Ebene bilden können. Die anderen Leute auf den höheren Ebenen immer wüst ausschließen, aber darum soll es ja heute gar nicht vorrangig gehen, sondern vorrangig geht es heute um das Thema Wahlkreise. Da vielleicht zwei Dinge, die ich – bevor es zum Inhaltlichen geht – noch mal vorausschicken möchte.
Zum einen finde ich es tatsächlich ja… spannend, wie gut die Glaskugel der anderen Parteien ist und wie sehr sie ein überragendes grünes Ergebnis voraussagen. Das freut uns natürlich sehr. Ich glaube, das wird aber tatsächlich eine größere Anstrengung, dieses Ergebnis tatsächlich auch zu halten. Zweites Ding ist, es gibt in dieser BVV bzw. in diesem Bezirk einen ziemlich langjährigen Prozess, wie sich Gespräche über diese Wahlkreiseinteilungen bilden. Das war bisher immer und war auch diesmal auf der Ebene der Parteien angesiedelt. Das könnte man durchaus anders machen, allerdings war das sozusagen ein bisschen das Friedrichshain-Kreuzberger-Landrecht, wie es bisher schon lief. Deswegen haben sich die demokratischen Parteien dazu ausgetauscht. Mein Gefühl war ja auch…in einer deutlich weniger aufgeheizten Stimmung, als das jetzt war und auch mit deutlich anderen Argumenten, als das jetzt war… aber sei es drum. Am Ende blieb es so, dass es verschiedene Varianten gab, die wurden besprochen. Die Variante 1, die jetzt hier Gegenstand war, war, soweit ich das verstanden hatte, eine die niemand zur Grundlage weiterer Gespräche machen wollte, weswegen ich mir vorstellen könnte, dass das der Grund war, dass das zuständige Mitglied das nicht in die Bezirksamtsbeschlüsse eingebracht hat. Weiß ich aber natürlich nicht. Ich bin ja nicht das zuständige Bezirksamtsmitglied.
Was das Ganze inhaltlich angeht, ist glaube ich, dass wir uns vergegenwärtigen müssen, worüber wir hier abstimmen. Es geht darum, dass wir Wahlkreise neu zuschneiden bzw. nicht wir schneiden Wahlkreise neu zu, sondern das Bezirksamt schneidet Wahlkreise neu zu. Das Bezirksamt hat diese Aufgabe, die Wahlkreise neu zuzuschneiden aus dem Wahlgesetz und das Bezirksamt hat eine Aufgabe… hat eine Aufgabe, wie es diese Wahlkreise zuschneiden soll und zwar, dass eine möglichst große Anzahl Deutsche in diesen Wahlkreisen ist. Das hat elementare… das kann man gar nicht hoch genug sagen… es hat elementare Bedeutung, weil es geht um den Grundsatz: One person, one vote. Wahlkreise sollen gleich groß sein, damit die gleich große Anzahl der Menschen vertreten sein soll. Das bedeutet dann, dass es hin und wieder Anpassungen gibt, das hatten wir heute ja schon gehört, entweder, weil es Neubaugebiete gibt oder auch, wenn es so ist wie häufig, dass wir mal einen Wahlkreis dazugewinnen und mal einen Wahlkreis verlieren – je nach Zahlen.
Das Bezirksamt hat das Ganze dann auch gemacht, das hat es quasi konkret abgegrenzt. Wir würden uns heute darüber unterhalten, wie wir uns zu dieser Position verhalten wollen. Maßgeblich, ich hatte es schon gesagt, ist der Grundsatz der Wahlgleichheit, dass Wahlkreise gleich groß sein sollen und dieser Aufgabe ist das Bezirksamt dann letztlich nachgekommen, denn wir wissen, dass es Abweichungen geben kann bei diesen Sachen, weil es natürlich jetzt nicht durch Häuser gehen kann… Wahlkreisgrenzen, sondern natürlich auf der Ebene der Straßenzüge. Und es ist auch so, dass natürlich nicht jetzt kleine Änderung ein Neuzuschnitt der Wahlkreise macht. Wenn man es aber tut, wie wir das heute müssen, dann ist das oberste Ziel, woran man sich halten soll, gleich große Wahlkreise zu machen.
Des Weiteren, was man natürlich auch tun sollte, ist, Kiezstrukturen zusammenhalten, aber das geht dann halt nun mal in den Grenzen, die uns das Wahlgesetz vorgibt. Da stößt man tatsächlich auch immer wieder an Grenzen des Planerischen, und wenn man sich die Wahlkreise der letzten 20 Jahre anschaut, dann gibt es immer Ecken, die sind sehr intuitiv und die erschließen sich und dann gibt es Ecken, die sind nicht so intuitiv und erschließen sich nicht… das ist dann dem geschuldet, dass die Wahlkreise gleich groß sein müssen.
Wir haben dann tatsächlich ein Verständnis dafür, dass die andere Alternative, die es gab, tatsächlich attraktiv war, weil sie sich vor allen Dingen mehr an den großen Grenzen orientiert hat, aber das hatte dann den Nachteil, dass sie zu ganz erheblichen Ungleichheiten in der Zahl der Wahlberechtigten geführt hat. Es ist so, dass der größte Wahlkreis und der kleinste Wahlkreis quasi einen Unterschied von 22 % der Einwohnerzahl hatten, d. h., wir hätten sehr große Wahlkreise gehabt und sehr kleine Wahlkreise. Das finden wir tatsächlich rechtlich problematisch, weil dieser Vorschlag an das Äußerste gegangen wäre, was rechtlich wohl gerade noch zulässig gewesen wäre, ohne dass es dafür eine wirklich nachvollziehbare Notwendigkeit gegeben hat. Deswegen war das für jedenfalls meine Partei dann auch nicht tragbar.
Der vom Bezirksamt beschlossene Zuschnitt sorgt dafür, dass die Zahl der Wahlberechtigten möglichst gleich über die fünf Wahlkreise erfüllt ist. Das erfüllt wie gesagt den gesetzlichen Auftrag, den wir haben, deutlich besser und stellt gerade dar, dass jede Person ein möglichst gleiches Stimmengewicht hat. Wobei man natürlich darauf hinweisen muss, dass es sich nur auf die Zahl der Deutschen bezieht, was natürlich in unseren Wahlkreisen eine deutlich andere Zahl ist als die der Einwohner, aber das ist gesetzlich eben leider so vorgesehen.
Wir finden es tatsächlich gar nicht so schlecht, dass dieser Wahlkreis oder dass diese Wahlkreise zwei Wahlkreise über die Spree gehen. Wir hatten das bisher schon bei einem Wahlkreis, der sozusagen bezirksteilübergreifend war. Wir finden das grundsätzlich gar nicht so schlecht, weil er ganz andersrum als der Alternativvorschlag sehr, sehr lang gezogene Wahlkreise vermeidet. Er wahrt auch die Kiezbezüge. Es ist jetzt nicht so, dass es da gar nicht gelungen wäre, und er verhindert zugleich eine ungleiche Belastung einzelner Wahlkreise. Und das letzte, was man natürlich durchaus auch berücksichtigen kann im Rahmen der Möglichkeiten, er orientiert sich so weit das eben organisatorisch abbildbar war an den bisher geltenden Wahlkreisen.
Auf den engen Zeitplan haben verschiedene Kolleginnen und Kollegen ja schon hingewiesen. Das heißt, wir sollten uns tatsächlich gut überlegen, wie wir diesen Prozess jetzt weiter gestalten. Denn wir wollen natürlich alle auf gar keinen Fall die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl gefährden. Wir finden tatsächlich, das ist unsere Bewertung der Sachlage, dass es einen rechtlich tragfähigen, fairen und verantwortungsvollen Zuschnitt gibt, den das Bezirksamt dann beschlossen hat. Wie genau und welche E-Mails dazu ausgetauscht wurden, wissen wir tatsächlich nicht. Das liegt uns nicht vor. Das Ergebnis ist eines, mit dem wir durchaus mitgehen können, weil dieses Ergebnis sozusagen den gesetzlichen Auftrag deutlich besser umsetzt als alle Varianten, die wir vorher so kannten und die in den Parteiengesprächen tatsächlich auch Thema waren. Deswegen würden wir der Missbilligung bzw. der Einwände gegen das Bezirksamt nicht zustimmen, weil wir davon ausgehen, dass das Bezirksamt seinen Job ordentlich gemacht hat und einen guten Vorschlag gemacht hat und wir werden dann am Ende auch dieser Vorlage zur Kenntnisnahme zustimmen. Herzlichen Dank.
Herr Heck: Vielen Dank, Herr Striebel. Frau Jösting bitte.
Frau Jösting: Gestatten Sie mir zunächst die Anmerkung, dass glaube ich, spätestens mit der Rede von Herrn Alter, deutlich geworden ist, dass wir vielleicht in der Sache die gleiche Kritik haben, aber ich würde es nicht als ein politisches Lager bezeichnen wollen. Oder? Ist auch in Ihrem Interesse, das klarzustellen…oder? Ja.
So… alles gut. Ich glaube, es muss sich auch nach den letzten Bundestagswahlen niemand Sorgen machen um unsere Wahlkreise, die wir selbstverständlich verteidigen werden, egal, wie sie hier zugeschnitten werden. Ich freue mich, dass Sie, Herr Striebel, der Vorlage zustimmen, weil Sie davon ausgehen, dass das Bezirksamt seine Arbeit richtig gemacht hat. Das genau ist das Problem und genau deswegen erheben wir die Einwände, weil all diese Zahlen, die Sie hier aufgezählt haben, die stehen nicht in der Vorlage. Ich kann das überhaupt nicht kontrollieren. Ich kann mich jetzt hinsetzen mit Stadtplänen oder irgendwelcheStraßen aufmalen und mir irgendwo Einwohnerzahlen besorgen, die dann von den Deutschen separieren und vielleicht noch nach Alter… BVV ist glaube ich noch mal ein anderes Alter, wo man wählen darf, kann ich alles machen, aber so eine richtig gute Vorlage, die hätte das einfach in sich drin und damit wäre sie beschlussfähig. Das ist sie nicht.
Das ist ja genau eine unserer erheblichen Kritiken, dass diese Vorlage eben so gemacht ist, dass ich wirklich jeden Stadtplan hinten dranhängen kann, egal, ob mir jetzt die SPD, die Grünen, die CDU… wer mir gerade einen schickt und sagt, mach‘ den da mal hinten dran, das funktioniert mit demselben Text.
Da ich natürlich inzwischen die Zahlen kenne, weil ich mir die Straßen und die Einwohnerzahlen usw. natürlich alle besorgt habe und das alles ausgerechnet habe, so wie Ihre Partei, ist natürlich es nicht so, dass der Vorschlag, der Ihnen gut gefällt – was mich freut, dass der Vorschlag Ihrer Partei Ihnen gut gefällt – der ist natürlich nicht der, der zahlenmäßig am ausgewogensten ist. Dann hätten Sie mit erhobener Faust sozusagen oder mit irgendwas anderem Pazifistischen kämpfen müssen für die Variante 1 des Wahlamtes, Rechtsamtes, wer auch immer jetzt hier welches Amt das nun aufgemalt hat, aber auf jeden Fall Variante 1 des Bezirksamtes und nicht Variante 1 der grünen Partei sein müssen, denn… es ist die Variante 1 des Bezirksamtes, die zahlmäßig am ausgewogensten ist, der, der sozusagen als erstes im Papierkorb landete, warum auch immer.
Insofern freue ich mich, dass Sie alle Kritik, die wir haben, und die Grundlage unserer Einwendungen hier bestätigt haben. Danke.
Herr Heck: Vielen Dank, Frau Jösting. Weitere Wortmeldungen? Sehe ich nicht.
Damit würden wir dann einsteigen in die Abstimmung über die Drucksache 1743/VI, Einwendungen gegen die Führung der Geschäfte des Bezirksamts bzgl. der Wahlkreiseeinteilung 2026. Ich eröffne die Abstimmung.
Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:
Bezüglich der Einteilung der Wahlkreise zu den Wahlen 2026 erhebt die BVV gemäß § 17 Absatz 1 Bezirksverwaltungsgesetz Einwendungen gegen die Führung der Geschäfte des Bezirksamtes.
