Kultur statt A100

von Maria Bischof

Die Pläne für den Weiterbau der A100 durch Friedrichshain werden immer absurder, je bekannter sie werden. Doch bisher ist zu wenigen vorgedrungen, wie weit fortgeschritten diese sind und wie viele Kulturorte dafür abgerissen werden müssen. So berichtet entwicklungsstadt.de, dass bereits ein Berliner Ingenieurbüro mit der Planung des 17. Bauabschnitts beauftragt wurde und dass dieser 1,5 Milliarden (!) Euro kosten und bis 2035 abgeschlossen sein soll. Rund um das Ostkreuz müssten Straßen für die Tunnelbaustelle jahrelang gesperrt werden. Auf Höhe des Wiesenwegs soll die Autobahn dann wieder an die Oberfläche treten und – kein Scherz – ÜBER das Ringcenter hinweg geführt werden. Natürlich wäre dort die Baustelle mit einer jahrelangen Sperrung der unverzichtbaren Ost-West-Achse Frankfurter Allee (nicht umsonst auch bekannt als Bundesstraße 1) verbunden.

Doch es geht noch weiter: Sechs Kulturorte, die nicht nur für den Bezirk, sondern berlinweit von Bedeutung sind, sollen der Blechlawinen-Route weichen. Ich zähle von Süden nach Norden auf: Die Else, ein Club- und Barbetrieb und sehr schöner Streifen Kultur zwischen Straße und Ringbahngleisen auf der Treptower Seite der Elsenbrücke. Der Club Ost, als Gebäude auch bekannt als die frühere Osthafendirektion. Die Wilde Renate, ein vermeintliches Wohnhaus an der Unterführung nach Stralau, das allerdings ein Club mit internationalen Line Ups und zahlreichen Ateliers, Studios und Proberäumen im Seitenflügel ist. Besonders tragisch: Die gerade erst mit viel Aufwand und Verhandlungen mit Hilfe unserer Linksfraktion im Bezirk gerettete Zukunft am Ostkreuz, deren neues Gelände zwischen Wilder Renate und Ringbahn-Gleisen liegt. Der letzte betroffene Kulturort im Südkiez ist das About Blank, ein linker Club, der auch soziokulturelle Angebote macht und einen wichtigen Schutzraum darstellt. Hier halten viele LINKE bis hoch zu Klaus Lederer angestrengt die Hände drüber, aber im Ernstfall wird auch das nicht helfen. Was hier besonders aufregt: Der wunderschöne, große Clubgarten mit einem gut gewachsenen und gepflegten Wäldchen und der Club selbst sollen nicht mal für die Autobahn selbst, sondern eine Baustellenzufahrt dem Erdboden gleichgemacht werden.

Im Nordkiez geht es dann am Wiesenweg weiter: Der Club OXI (ehemals Kosmonaut, dann Polygon) ist ein Ort unter anderem für queere Menschen. Direkt nebenan liegt das Void, ein kleiner Club und eine allerletzte Heimat der elektronischen Musikrichtung Drum’n’Bass, der liebevolle Nachwuchsförderung betreibt. Der Veranstaltungsbereich ist von der Pandemie und ihren Folgen noch immer stark gebeutelt, da Kulturorte und Clubs die ersten waren, die pandemiebedingt schließen mussten, und die letzten waren, die – vor nicht mal einem Jahr! – wieder öffnen durften. Diese Orte sind mehr als Locations, wo die Jugend tanzen geht: Sie sind Arbeitgeber und Steuerzahler in unserem Bezirk, und nicht die gerade die kleinsten! Sie fördern Nachwuchskünstler*innen, bilden zum Teil auch im Veranstaltungsbereich aus und sind wichtige Schutzräume etwa für People of Colour, LGBTIQ+ und auch linke Kräfte. Und nicht zuletzt stehen sie, und dank ihnen unser Bezirk, für verdammt gute Musik. Deshalb verdienen sie unsere unbedingte Solidarität!

Wir als FriedrichshainKreuzberger*innen müssen also noch viel lauter werden gegen den Weiterbau der A100. Nicht nur unserem Zuhause und dem Klima zuliebe, sondern auch um der Kultur wegen. Die nächste Gelegenheit: Die Tanzdemo »Wem gehört die Stadt« am 6. Mai geht 15 Uhr am Kosmos in der Karl-Marx-Allee los und hat sich dieses Jahr den Widerstand gegen die Autobahn groß auf die Fahnen geschrieben.

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