BVV-Bericht vom 29. Juni 2022

Erik Schliemann

Nach zahlreichen digitalen Sitzungen traf sich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg endlich wieder in Präsenz. Allerdings nicht wie gewohnt im Rathaus Kreuzberg, sondern in einer großen Halle des RAW-Gelände – so konnten die notwendigen Hygieneschutzmaßnahmen eingehalten werden. Es war spürbar, dass die Präsenzsitzung der Lebendigkeit der politischen Debatten gut tat. Für einige Verordnete war es nach über einem halben Jahr im Amt sogar die erste Rede im Plenum vor Publikum.

Mit besonderer Dringlichkeit brachte unsere Fraktion DIE LINKE gleich zu Beginn eine wichtige Resolution ein, in der wir den völkerrechtswidrigen Angriff der türkischen Armee auf Gebiete im Nordirak und in Nordsyrien verurteilen. „Alle Menschen dort haben zur Zeit große Angst“, berichtete unsere Verordnete Elke Dangeleit den anwesenden Verordneten aus den Gesprächen mit Vertreter*innen unserer nordostsyrischen Partnerstadt Dêrik. Die BVV solidarisierte sich deshalb auch mehrheitlich mit den Opfern dieser Gräueltaten und nahm die Resolution an. Ein gutes Signal für den Frieden! Auch wenn CDU und FDP sich dieser Resolution nicht anschließen wollten.

Eine Diskussion entfachte sich außerdem um das weitere Vorgehen zur geplanten Polizeiwache am Kotti. Hier hatten unsere Fraktionäre Moheb Shafaqyar und René Jokisch als Ausschussvorsitzende in den vorangegangenen Tagen bereits gute Arbeit geleistet und eine Sondersitzung einberufen. Ergebnis der Sitzung, zu der auch betroffene Anwohner*innen eingeladen waren: eine Aufforderung an das Bezirksamt, alles zu unternehmen, um das überstürzte Bauvorhaben der Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zu stoppen und erstmal die versprochene Bürgerbeteiligung durchzuführen. Sie plant eine Polizeiwache über den Köpfen der Menschen im Neuen Kreuzberger Zentrum (NKZ). „Selten habe ich einen so dämlichen Vorschlag gesehen wie den Vorschlag zur Wache im NKZ“, stellte dazu unsere stadtentwicklunspolitische Sprecherin Gaby Gottwald nochmals eindrücklich klar. Wir fordern stattdessen einen Runden Tisch, der die Interessen aller Beteiligten vor Ort ernsthaft einbezieht. Gemeinsam mit den Grünen und gegen die Stimmen der SPD konnten wir diese Forderung beschließen.

Fast schon ausufernde Debatten gab es an diesem Abend um die Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne). Sie hatte sich unter der Woche mit der Protestbewegung „Letzte Generation“ solidarisiert, deren Teilnehmer*innen sich auf Berlins Straßen festkleben und so den Verkehr blockieren, um für eine radikale Verkehrswende zu demonstrieren. CDU und FDP stellten daraufhin einen Missbilligunsantrag gegen die Bürgermeisterin. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt – auch mit den Stimmen unserer Fraktion. Denn wir finden: Ziviler Widerstand ist eine legitime Form des Protests (auch wenn die Durchfahrt für z.B. Rettungskräfte möglich bleiben muss) gegen die Politik der Ampelregierung, die auf Bundesebene bei wichtigen Klimaschutzmaßnahmen tatsächlich auf der Bremse steht.

Wo es unserer Fraktion momentan aber eher zu schnell geht, ist das Modellprojekt zum autofreien Gräfekiez. Hier versuchen die Grünen mit aller Macht ein beispielloses Verkehrsexperiment von Oben durchzudrücken. Wir forderten deshalb eine umfassende Beteiligung der betroffenen Anwohner*innen bevor das Projekt realisiert wird. Unser Antrag wurde zwar abgelehnt, doch unsere berechtigte Kritik führte dazu, dass SPD und Grüne eine größere Beteiligung als bisher vorsehen. Ob das passiert, oder ob die Verkehrswende über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden wird, beobachten wir weiterhin kritisch und im Sinne der Anwohner*innen.

Ein weiterer Antrag unserer Fraktion betrifft ein leerstehendes Haus im selben Kiez, die Gräfestraße 13. Nach einem Wohnungsbrand vor mehr als zwei Jahren haben die Vermieter*innen aus unserer Sicht nichts unternommen, um den Bewohner*innen wieder ein bewohnbares zu Hause zu ermöglichen. Der Bezirk behauptet, alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft zu haben. Wir sehen darin eine systematische Entmietungsstrategie bei der das Bezirksamt tatenlos zuschauen muss. Das darf nicht sein! Unser Antrag, hier nochmals sämtliche Möglichkeiten des Wohnungsaufsichtsgesetzes auszuschöpfen, wurde deshalb auch mehrheitlich von der BVV angenommen.

Zwei weitere Anträge der Fraktion DIE LINKE wurden in die jeweiligen Fachausschüsse überwiesen:

Zum einen schlagen wir vor, dass sich das Bezirksamt die Verbraucher*innendaten des Berliner Stromnetzes zu Nutze macht, um Hinweise darauf zu finden, welche Wohnungen illegal als Ferienwohnungen betrieben werden. Unser Bezirk könnte damit wieder einmal Vorreiterin in Sachen konsequenter Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots sein.

Zum anderen beantragen wir, dass bei der geplanten Gehwegsanierung in der Petersburger Straße von einer Fällung von 5 Pappeln abgesehen wird. Die Nachbarschaft war in jüngerer Vergangenheit erst von Baumfällungen betroffen. Hier müssen diesmal andere Lösungen gefunden werden.

Und zu guter Letzt wurde still und leise auch unser Antrag zur Rekommunalisierung der Schulreinigung nach ausführlichen Beratungen in den jeweiligen Fachausschüssen angenommen. Damit treiben wir ein zentrales Versprechen aus unserem linken Wahlprogramm für Friedrichshain-Kreuzberg weiter voran!

Nach einer sehr langen Sitzung bis in die späten Abendstunden hinein verabschiedete sich die BVV damit in die Sommerpause. Erst Ende August wird die Versammlung das nächste Mal tagen. Doch die Fraktion DIE LINKE wird sich auch in den Sommermonaten für ein sozial-ökologisches und gerechteres Friedrichshain-Kreuzberg einsetzen!

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