Skulpturenweg „Menschenlandschaft“

zur Beratung in Ausschuss überwiesen | DS/0371/VI

Initiator: B'90 Die Grünen/ DIE LINKE/ SPD

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird beauftragt:

  1. Den Skulpturenweg „Menschenlandschaft“ zwischen May-Ayim-Ufer, Oberbaumstraße und Schlesische Straße je nach konkretem Bedarf an Reinigung, Instandsetzung oder Restaurierung in Absprachen mit den Künstlern und der Fachkommission für Kunst im öffentlichen Raum wieder in einen angemessenen Zustand zu bringen.
  2. Den Skulpturenweg durch Einbeziehung von Bewohnerschaft, Experten, Institutionen, Vereinen und aktiven Bürgern nachhaltig zu schützen und zu pflegen. Der öffentliche Raum zwischen May-Ayim-Ufer, Oberbaumstraße und Schlesische Straße soll als Transfer- und Aufenthaltsraum in seiner Qualität verbessert werden.
  3. Die Entstehungsgeschichte des Skulpturenwegs „Menschenlandschaft“ mit Angaben zu den einzelnen Kunstwerken in geeigneter Form am Ort und auf der Website des Bezirksamtes zu vermitteln.

 

Begründung:

Aus der Stellungnahme zum Umgang mit Erinnerungskultur im öffentlichen Raum in Friedrichshain-Kreuzberg vom Städtepartnerschaftsverein Kadiköy e.V.:

Denkmäler und Skulpturen im öffentlichen Raum spielen eine wichtige Rolle für die öffentliche Erinnerung. Sie machen sichtbar, wer dazu gehört und an welche Geschichte(n) wir uns erinnern. Kreuzberg ist weiterhin wesentlich von der Migrationsgeschichte der 1960er und 1970er Jahre ge-prägt und die Geschichten der damals eingewanderten Menschen sollten als Teil der Erzählung anerkannt werden. Der Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum, der diese migrantischen Ge-schichten repräsentiert, ist allerdings problematisch. Wir möchten dies an zwei Beispielen aus-führen.

Beispiel 1: Bei unseren Spaziergängen am Landwehrkanal 2020 fiel uns auf, dass etwas fehlte. Die Skulptur von Mehmet Aksoy neben dem Statthaus Böcklerpark war verschwunden.

Wir hatten in den letzten Jahren des Öfteren über den Zustand der Skulptur gesprochen, die über und über mit Graffiti versehen war, ebenfalls darüber, dass ein Hinweis auf den Künstler fehlte. Nun war sie aber plötzlich ganz weg und an ihrer Stelle befand sich ein Trainingsplatz für Kraftsport. Wir fragten nach und es stellte sich schließlich heraus, dass die Skulptur „aus Sicherheitsgründen“ entsorgt worden war.

Offenbar waren sich diejenigen, die dafür ihr Einverständnis gaben, der Tragweite nicht bewusst. Es ist ein Kunstwerk beseitigt worden, ein Stück Erinnerungskultur der Migrationsgeschichte des Bezirks ist verschwunden. Die Arbeit wurde nicht restauriert oder in Sicherheit gebracht, um dann zu überlegen, was man mit ihr machen soll, sondern einfach vernichtet. Vergleiche mit Beuys' Fettecke drängen sich auf.

Beispiel 2: Ein weiteres Kunstwerk im öffentlichen Raum ist der Skulpturenweg zwischen May-Ayim-Ufer, Oberbaumstraße und Schlesische Straße. Inspiriert von Nazim Hikmets Dichtung hat es den Titel MENSCHENLANDSCHAFT BERLIN und soll ein künstlerisches Symbol für das Zusammenleben der Menschen sein.

1984 war das Schlesische Tor das äußerste Ende des Bezirks Kreuzberg und das wahre Gegenstück zum Kurfürstendamm und dem dort entstandenen Skulpturen-Boulevard. Der Aufstellung der Skulpturen von Leslie Robbins, Mehmet Aksoy, Azade Köker, Andreas Frömberg, Louis Niebuhr, Rudolf Valenta und Andreas Wegner war ein Bildhauersymposium vorangegangen. Dessen Leitthema war „Ausländer in Berlin“. Den zeitlichen und finanziellen Rahmen stellte die 750-Jahr Feier in Berlin 1987. Das Symposium und die Entscheidung einer 13-köpfigen Jury unter Mitarbeit und Beteiligung des Bezirksamts und von Anwohnern führte zu einem fast dreijährigen Planungs- und Arbeitsprozess an dessen Ende dann im Herbst 1987 die Skulpturen aufgestellt wurden.

Die im Bezirk aufgestellten Kunstwerke sind Erzählungen in einem zeitlichen Kontext, dessen

Bedeutungen und Erinnerungen bis in die Gegenwart reichen. Das gilt nach unserer Überzeugung auch für die Kunstwerke der Kreuzberger Migrationsgeschichte, die in der offiziellen deutschen Geschichtsschreibung trotz mancher neueren Versuche weiterhin unterbelichtet ist. Angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2020 21,9 Millionen Menschen und somit 26,7 % der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund hatten (laut Statistischem Bundesamt) ist die öffentliche Erinnerung an andere Herkunftserzählungen überfällig.

 

Drucksache beim Bezirksamt