Rio Reiser angemessen ehren! Umbenennung eines Teiles des Mariannenplatzes in "Rio-Reiser-Platz" (DS/0436/V)

Initiator: Oliver Nöll und die anderen Mitglieder der Fraktion

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die halbrunde Nordseite des Mariannenplatzes, begrenzt durch Marianen- und Waldemarstraße wird in "Rio-Reiser-Platz" umbenannt.

 

Begründung:

Man sollte denken, dass es in Friedrichshain-Kreuzberg völlig unnötig ist zu begründen, warum es wichtig und notwendig ist, der Person Rio Reiser angemessen zu gedenken. Der Bezirk hat 2013 bereits eine Gedenktafel am Haus Tempelhofer Ufer 32 anbringen lassen, um das Wirken der Band "Ton, Steine, Scherben" an dem Haus zu würdigen, wo sie in den 1970er Jahren gewohnt haben. In der damaligen Begründung heißt es:

Rio Reiser und seine Band „Ton Steine Scherben“ haben deutsche Rockgeschichte geschrieben. Von 1970–1974 wohnten sie als WG im Haus Tempelhofer Ufer 32..:“

Sowie

„Die Lieder der Band haben eine ganze Generation politischer junger Menschen begleitet, die vom Häuserkampf über die Entwicklung der sanften Sanierung bis hin zum Guerilla Gardening entscheidend mit dazu beitrugen, dem Stadtteil Kreuzberg sein heutiges buntes Gesicht zu verleihen….“

Die Bedeutung dieser Band für unseren Bezirk steht somit außer Frage. Allerdings erscheint eine Gedenkplakette unzureichend. Ebenso sollte die Person Rio Reisers auch nochmal explizit außerhalb des Bandkontextes geehrt werden.

Andernorts wurde diesem Ansinnen bereits Rechnung getragen, so z.B. im nordrhein-westfälischem Unna, wo die Straße an dem Kulturzentrum Lindenbrauerei am 17.August 2012 in Rio-Reiser-Weg umbenannt worden ist. Es ist fast peinlich zu nennen, dass in der Stadt und dem Bezirk, wo Rio Reiser tiefe Spuren hinterlassen hat eine solche Würdigung bisher nicht erfolgt ist. Nicht wenige der Songs aus der Protestzeit sind in Kreuzberg entstanden und haben einen deutlichen Bezug zu den damaligen Ereignissen. Zuvorderst der berühmte „Rauchhaus-Song“, der sich mit der Besetzung des Bethanien befasst. Ebenso liefern die Eingangstextzeilen die Begründung, warum wir für unser Anliegen einen Teil des Mariannenplatzes einfordern:

„ Der Mariannenplatz war blau, So viele Bullen waren da.“

Das genau dieser zentrale Platz in Kreuzberg damals wie heute der Kristallisationspunkt gesellschaftlicher Konflikte ist, dürfte kaum zu bestreiten sein. Die Linie zieht sich von den Anti-Vietnam-Kundgebungen, über die Hausbesetzer*innenkonflikte bis zum heutigen 1. Mai. Vom Platzbesetzer zum Namensgeber. Das wäre eine schöne Vollendung der Geschichte dieses einmaligen Künstlers!

Neben der lokalen Bedeutung war Rio Reiser auch eine zentrale Figur der deutschen Linken. Sein Einfluss reichte von der SPD, für die er 1976 im Wahlkampf engagiert war, den GRÜNEN, die er 1983 unterstützt hat, über DIE LINKE (PDS), deren Mitglied er seit 1990 war, bis hin zu außerparlamentarischen und autonomen Bewegungen, die er lebenslang kulturell und politisch unterstützt hat.

Seine musikalische Bedeutung als Mitglied der legendären „Ton, Steine, Scherben“ und als Solokünstler ist hinlänglich bekannt. Darüber hinaus ist aber zu betonen, dass Rio Reiser sich zu einer Zeit zu seiner Homosexualität bekannt hat, als der berüchtigte §175 STGB („Schwulenparagraph“) noch Teil der bundesdeutschen Gesetzgebung war und das öffentliche Bekenntnis zur Homosexualität gesellschaftlich weitgehend geächtet wurde. Bereits seit Anfang der 1970er Jahre lebte Reiser bekennend schwul. Schon aus seinen Jugendtagen ist das Gedicht „Kranksein“ überliefert:

„Ich bin nicht krank, weil ich dich liebe / Du bist nicht krank wenn Du mich liebst / Ich werde krank, wenn Du nicht hier bist / Weil Du vergessen willst, dass es mich gibt / Ja ich bin vom andern Ufer / Und der Fluss ist eure Angst / Lass die Sonne scheinen, gelber Panther / Und der Fluss wird festes Land.“

Zwar hat die BVV beschlossen, dass die Benennung von Straßen und Plätzen so lange nach Frauen zu erfolgen hat, bis mindestens die Hälfte nach Frauen benannt ist (DS/1497/II). In einem seinerzeit letztlich zurückgezogenen Antrag (DS/0475/IV) wurde sich explizit dafür ausgesprochen, auch Personen mit einem LSBTTIQ-Hintergrund zu ehren. Dieses Ansinnen wird im Antrag zur Benennung von Privatstraßen (DS/380/V) nochmals aufgegriffen.

Wir denken aufgrund der politischen und kulturellen Bedeutung und dem offenem Umgang mit seiner Sexualität ist eine derartige Würdigung von Rio Reiser in unserem Bezirk mehr als angezeigt!