Keine Verdrängung der Wohnbevölkerung in sozialen Erhaltungsgebieten durch (möbliertes) Zeitwohnen
Initiatorinnen: Gaby Gottwald, Kerima Bouali
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Bezirksamt wird beauftragt, in sozialen Erhaltungsgebieten dem Schutzziel des Erhalts der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung oberste Priorität einzuräumen. Nutzungsänderungen von dauerhaft bewohnten Wohnungen zum Vermietungsmodell „Wohnen auf Zeit“ sind ab März 2025 der Genehmigungspflicht zu unterwerfen und grundsätzlich zu versagen, da dies nachweislich das Ziel der Erhaltungssatzung unterminiert.
Begründung:
Der Trend zum (möblierten) Zeitwohnen ist ungebremst und fatal. Der Anteil von Wohn-Zeit-Modellen an den jährlich inserierten Wohnungen liegt in Berlin im Jahr 2023 bei 54%. Friedrichshain-Kreuzberg ist hier mit 70% (2022) besonders betroffen, so die Antwort des Senats auf eine Anfrage des Abgeordneten Niklas Schenker (Die Linke) vom Mai 2024 (Drs. 19/19140). Konkrete Daten über den Anteil von Zeitwohnen liegen nicht vor.
Die durchschnittlichen Mieten bei temporär – meist möbliert – vermieteten Wohnungen übertreffen die ortsüblichen Mieten häufig um das Doppelte bis Dreifache. Wird die Wohnung „zu einem vorübergehenden Gebrauch“ vermietet, gilt die Mietpreisbremse nicht. Bei möblierter Vermietung wird zudem ein Zuschlag erhoben, der nicht im Mietvertrag ausgewiesen werden muss. Wohnen auf Zeit, dies meist möbliert, ist daher der Renner zur maximalen Renditeerzielung. Auf dem angespannten Wohnungsmarkt ist das Modell vor allem ein Instrument zur Verdrängung, denn es entzieht der Wohnbevölkerung dringend benötigten Wohnraum zu ortsüblichen Preisen. So hebt der IBB Wohnungsmarktbericht 2023 hervor, „dass die Entwicklungen des Segments nicht mehr im Einklang mit den bestehenden mietrechtlichen Regelungen stehen“ (S. 101).
Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf will gegen diese Praxis vorgehen und hat dazu ein Rechtsgutachten durch die Kanzlei GGSC erstellen lassen, aus dem hervorgeht, dass diese Form der Vermietung gegen den Milieuschutz verstößt. So stehe beim Wohn-Zeit-Modell die Wohnung der Wohnbevölkerung nicht mehr zur Verfügung, deren Zusammensetzung es zu schützen gilt. Laut Gutachten stellt der Übergang von einer Dauerwohnung in ein Zeitmodell eine Nutzungsänderung dar, die genehmigungspflichtig ist. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf teilt diese Rechtsauffassung laut Antwort auf eine Große Anfrage der Grünen im Bezirk (DS-Nr: 0879/6). „Das Bezirksamt vertritt die Auffassung, dass die Umwandlung von Dauerwohnungen in möblierte oder temporär vermietete Wohnungen eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung nach §172 Abs. 1 S. 1 BauGB darstellt. Dies gilt auch dann, wenn die Wohnung weiterhin zu Wohnzwecken genutzt wird, aber aufgrund der Befristung oder (Teil) Möblierung nicht mehr der zu schützenden Wohnbevölkerung zur Verfügung steht.“ Charlottenburg-Wilmersdorf wird daher in sozialen Erhaltungsgebieten zukünftig Nutzungsänderungen für (möblierte) Wohn-Zeit-Modelle unterbinden.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sollte sich dieser Praxis anschließen. Da laut Aussage des Bezirksamts vom Juni 2024 (DS/1231/VI) ein Musterverfahren des Bezirks zeitnah verhandelt werden soll, kann eine kurze Karenzzeit abgewartet werden. Ab 1. März 2025 sollte dann - gegebenenfalls auch ohne Ergebnis des Musterverfahrens - gehandelt werden.