Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen

Mündliche Anfrage DS/0233/VI

Initiator: Janis Ehling

Ich frage das Bezirksamt:

  1. Wie steht das Bezirksamt zur Äußerung der behindertenpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, Frau Rüffer, die in verschiedenen Medien wie folgt zitiert wurde: „Menschen mit Behinderung sind in Heimen, Werkstätten etc. permanent Gewalterfahrungen ausgesetzt. Solange es solche Sondereinrichtungen gibt, wird es dort Gewalt gegen behinderte Menschen geben“?

2. Sind dem Bezirksamt entsprechende Berichte aus Einrichtungen, die vom Bezirk gefördert werden bekannt?

3. Gibt es in diesen Einrichtungen entsprechende Gewaltpräventionskonzepte?

 

Nachfragen:

  1. In welcher Höhe fördert der Bezirk Werkstätten oder andere Einrichtungen die sich speziell an Menschen mit Behinderung richten?

2. Sollten diesen sogenannten „Sondereinrichtungen“ (Zitat Frau Rüffler) im Bezirk die Förderungen entzogen werden?

 

Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin

Abt. Arbeit, Bürgerdienste und Soziales

Stellvertretender Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat

 

Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

  1. Wie steht das Bezirksamt zur Äußerung der behindertenpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, Frau Rüffer, die in verschiedenen Medien wie folgt zitiert wurde: „Menschen mit Behinderung sind in Heimen, Werkstätten etc. permanent Gewalterfahrungen ausgesetzt. Solange es solche Sondereinrichtungen gibt, wird es dort Gewalt gegen behinderte Menschen geben“?

Grundsätzlich sind solche verkürzten Darstellungen nicht hilfreich. In dieser Pauschalität teilt das Bezirksamt diese Aussage ausdrücklich nicht.

Ungeachtet dessen beziehen sich die Äußerungen von Frau Rüffer – wenn auch verkürzt und unsachlich -  auf die Veröffentlichung von Handlungsempfehlungen zum Schutz vor Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte und des Behindertenbeauftragten der Bundesrepublik Deutschland.

Dieses Papier richtet sich gezielt an Akteure in Politik und Praxis, die ihrer Verantwortung beim Thema Gewaltschutz gerecht werden müssen: Bundes- und Landesregierungen, Sozialämter, die Leistungen für Menschen mit Behinderungen finanzieren, Einrichtungen der Behindertenhilfe und Fachkräfte in diesen Bereichen.

Das Amt für Soziales wird die Handlungsempfehlungen (das Thema dieser mündlichen Anfrage) als Tagesordnungspunkt in die nächste reguläre Sitzung des Bezirksteilhabebeirates einbringen, um das Thema gemeinsam mit Leistungserbringenden, Interessenvertretungen und anderen Fachdiensten der Eingliederungshilfe zu erörtern.

In der Unter-AG „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft des Bezirkes, in der sich Vertreter*innen von Leistungserbringern, Beratungseinrichtungen, Freizeiteinrichtungen und des Gesundheitsamts austauschen, ist das Thema „Gewalt in Einrichtungen“ regelmäßig Besprechungspunkt.

Zu einer nächsten Sitzung wird eine Vertretung der Polizeidirektion 5 in der AG zu Gast sein. Die bezirklichen Gleichstellungsbeauftragten und Behindertenbeauftragten bereiten z.Zt. einen Fachtag zur Gewalt gegen behinderte Frauen vor, der am 10.5.2023 in der Zitadelle Spandau stattfinden wird.

 

2. Sind dem Bezirksamt entsprechende Berichte aus Einrichtungen, die vom Bezirk gefördert werden bekannt?

Insofern, als mit dieser Frage auch Gewalt der Menschen mit Behinderungen untereinander bzw. gegen Einrichtungen gemeint sind, die zu den Leistungserbringenden der Eingliederungshilfe gehören, kann bestätigt werden, dass Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe Gewalterfahrungen haben können. Es sind im Bezirksamt vereinzelt Fälle von aggressiven Klient*innen bekannt geworden, die Gewalt gegen die Einrichtung und gegen andere Klient*innen angewendet haben.

Im Januar 2022 wurde durch Mitarbeitende eines Berliner Pflegedienstes ein anonymer Brandbrief an einige Bezirksämter und Berliner Behörden (u. a. die Heimaufsicht) versendet, in dem die Mitarbeitenden über teilweise Mängel in der Pflege berichteten, die aufgrund Überlastung und Personalmangel nicht vermeidbar seien. Vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg wurden WG´s des Pflegedienstes bislang nicht belegt. insofern liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.

Fälle, in denen seitens Einrichtungen Gewalt gegenüber Klient*innen ausgeübt wird, sind darüber hinaus nicht bekannt.

 

3. Gibt es in diesen Einrichtungen entsprechende Gewaltpräventionskonzepte?

Inwiefern die Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der stationären Hilfe zur Pflege Gewaltpräventionskonzepte als Bestandteil ihrer Zulassung vorgelegt haben, entzieht sich insgesamt der Kenntnis des Bezirksamtes.

Zuständig für die Zulassung der und Aufsicht über diese Einrichtungen ist die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS - Abteilung Soziales) für die Eingliederungshilfe und die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (SeWGPG - Abteilung Pflege) für die stationären Pflegeeinrichtungen.

Der Träger des durch das Bezirksamt über Zuwendungen geförderten Begegnungszentrums INTEGRAL e. V. in Friedrichshain hat beispielhaftes Gewaltpräventionskonzept. Aus dieser Einrichtung sind – siehe oben – folgerichtig keinerlei Vorfälle bekannt, die eine Begründung für die oben zitierte Einlassung von Frau Rüffer darstellen könnten.

 

Nachfragen:

  1. In welcher Höhe fördert der Bezirk Werkstätten oder andere Einrichtungen die sich speziell an Menschen mit Behinderung richten?

Das Bezirksamt fördert die Einrichtungen der Eingliederungshilfe und stationäre Pflegeeinrichtungen nicht direkt. Kosten werden ggf. anteilig und im Rahmen der zwischen den Leistungserbringern verhandelten Leistungstypen und Entgeltsätze bzw. im Rahmen von ggf. notwendiger Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel SGB XII getragen.

Das Begegnungszentrum von INTEGRAL e. V. wird durch das Bezirksamt jährlich mit einer Zuwendung in Höhe von 109.500 € (Haushaltsjahr 2021) gefördert.

 

2. Sollten diesen sogenannten „Sondereinrichtungen“ (Zitat Frau Rüffler) im Bezirk die Förderungen entzogen werden?

Wenn es Hinweise auf erhebliches, grob fahrlässiges Fehlverhalten gibt, sollten entsprechende, ggf. auch strafrechtliche, Ermittlungen eingeleitet werden. Diese könnten einen Entzug der Betriebserlaubnis und strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben.

Das Konzept von Integral ist allerdings vorbildlich und es sind keine derartigen Berichte bekannt, die einen Entzug von Förderung begründen könnten.

 

Mit freundlichen Grüßen

Oliver Nöll

Bezirksstadtrat

 

Drucksache beim Bezirksamt